»Wir verbinden unsere Tradition mit der Zukunft.«

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG, über neue Geschäftsfelder und die strategische Aufstellung seines Unternehmens für die Mobilität der Zukunft.

Herr Blume, die Automobilbranche steht vor enormen Umwälzungen. Die Ablösung des Verbrennungsmotors durch Elektromaschinen ist schon heute absehbar. Hinzu kommen Zukunftsthemen wie die Digitalisierung und Vernetzung. Auch das autonome Fahren wird die Branche verändern. Wie stellt sich Porsche auf diesen rasanten Wandel ein?

Oliver Blume: Indem wir unsere Tradition mit der Zukunft verbinden und daraus neue Werte generieren. In den kommenden Jahren werden sich ja nicht nur die technologischen Möglichkeiten stark verändern, sondern auch die Ansprüche der Gesellschaft an die Mobilität. Die Mobilität der Zukunft wird bei uns geprägt von digitaler Vernetzung, vom emissionsfreien Antrieb, einem neuen, aber Porsche-typischen Verständnis von Mobilität und von einem frischen Denken. Darauf bereiten wir uns intensiv vor. Wir beginnen heute damit, innovative Dienstleistungen rund um die Mobilität von morgen zu entwickeln. Ein derartiges Service-Angebot wird in Zukunft immer wichtiger. Das gilt auch für das autonome Fahren.

Was halten Sie vom autonomen Fahren?

Blume: Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Ich halte allerdings nichts von einem Porsche, der sich allein durch das autonome Fahren definiert.

Andere Hersteller sind bei diesem Thema offensiver.

Blume: Bei einem Porsche steht das faszinierende sportliche Fahrerlebnis im Mittelpunkt und weniger die nüchterne Aufgabe, irgendwie von A nach B zu kommen. Einen Porsche will man deshalb selbst fahren. Allerdings gibt es im Verkehrsalltag durchaus Situationen, in denen der Einsatz von einzelnen Funktionen des autonomen Fahrens auch für einen Porsche-Fahrer Sinn machen kann.

Wie soll das konkret aussehen?

Blume: Stellen Sie sich vor, Sie haben sich abends in der Stadt verabredet, wollen essen gehen. Es ist alles zugeparkt. Sie sind knapp in der Zeit. Sie halten vor dem Restaurant an, steigen aus, das Fahrzeug sucht sich selbst einen Parkplatz, und wenn Sie wieder herauskommen, steht das Auto vollgetankt und gewaschen da. Oder nehmen wir mal an, Sie geraten auf der Fahrt zur Arbeit in einen Stau – und das Auto chauffiert Sie durch den Stop-and-go-Verkehr, während Sie Zeitung lesen.

Werden wir künftig also auf Neunelfer-Fahrer treffen, die Zeitung lesend hinterm Steuer sitzen?

Blume: Wenn der 911 gerade im Stau steht – warum nicht? Wir werden allerdings über unsere Baureihen hinweg definieren, welche autonome Fahrfunktion zu welchem Modell passt – und welche eben nicht. Das werden im Elfer sicher weniger sein als etwa in einem Panamera oder Cayenne. Entscheidend ist, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Eines ist für mich klar: Auch wenn ein Porsche automatisiert fahren kann, muss das Erlebnis des Selberfahrens immer noch ein emotionales sein.

Schließen sich autonomes Fahren und ein emotionales Fahrerlebnis gegenseitig aus?

Blume: Nicht unbedingt. Ich kann mir zum Beispiel für die Rennstrecke recht spannende Lösungen vorstellen. Etwa eine Mark-Webber-App, die automatisierte Fahrfunktionen nutzt, um dem Fahrer die Ideallinie zu zeigen, mit der er seine Rundenzeiten verbessern kann. Also eine Art virtuellen Coach.

Schon einmal ausprobiert?

Blume: Ich habe schon Prototypen getestet. Es ist faszinierend, autonom mit hoher Geschwindigkeit über eine Rennstrecke bewegt zu werden. Und zunächst auch gewöhnungsbedürftig. Man fragt sich immer wieder: Bremst das Auto vor der Kurve auch wirklich rechtzeitig ab? Aber es funktioniert.

Kann Porsche damit auch Geld verdienen?

Blume: Natürlich sind unsere Kunden bereit, für ein derartiges Erlebnis etwas zu bezahlen. Denkbar wäre auch die Möglichkeit, sich per Software-Update over-the-air kurzfristig ein paar zusätzliche PS oder eine andere Fahrwerksabstimmung herunterzuladen, wenn man am Wochenende auf die Rennstrecke will …

Der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt?

Blume: Nicht solange die Kreativität dazu genutzt wird, für den Kunden einen erlebbaren Nutzen zu erzielen. Porsche setzt im Zuge der Digitalisierung auf ganzheitliche Mobilitätslösungen. Wir werden neben unserem heutigen Kerngeschäft eine breit aufgefächerte und sehr flexible digitale Markenwelt aufbauen, die unseren Kunden einen echten Mehrwert bietet.

Stichwort »Digitale Transformation«: Steht die Industrie damit vor einem radikalen Systembruch?

Blume: Das klingt mir ein wenig zu dramatisch. Klar ist: In der Automobilindustrie sorgt die Digitalisierung für einen Wandel. Unsere Produkte, die Produktion, die Prozesse

– alles wird optimiert. Aber es ändert sich nicht alles von heute auf morgen. Die Digitalisierung ist eine riesige Herausforderung. Zugleich aber auch eine enorme Chance, jahrzehntelange Erfahrung im Sportwagenbau mit frischen Ideen und neuen Herangehensweisen zu verknüpfen. Mehr denn je gilt es jetzt, die Tradition unseres Hauses in die Zukunft zu übertragen.

Ist Digitalisierung die Lösung für alles?

Blume: Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Dort allerdings, wo sie Kundenfunktionen verbessert oder unsere Prozesse erleichtert, werden wir sie auch einsetzen. Dabei konzentrieren wir uns auf drei Kernfelder: erstens auf unsere Produkte und Services, zweitens auf unsere Kunden und den Handel sowie drittens auf das Unternehmen selbst. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Mensch – ob als Kunde, als Geschäftspartner oder als Mitarbeiter. Entsprechend behutsam werden wir die Menschen an die Digitalisierung heranführen. Der Erfolg hängt aus meiner Sicht maßgeblich davon ab, ob digitale Technologien und Prozesse einfach und selbsterklärend zu bedienen oder anzuwenden sind und ob sie einen nachvollziehbaren Nutzen bringen. Die Kunden sind die Treiber des Wandels.

Wird der Wandel die Kernwerte der Marke Porsche verändern?

Blume: Tradition ist uns eine Verpflichtung. Ohne unsere Tradition, ohne unsere Kernwerte stünden wir nicht da, wo wir heute sind. Aber eine Stärke von Porsche war schon immer der Wandel. Deshalb wurde aus luftgekühlt wassergekühlt. Deshalb löste der Targabügel den Widerspruch von offenem Fahren und Insassenschutz auf. Deshalb hatte schon der Porsche 928 eine mitlenkende Hinterachse. Heute gilt es, die passgenauen Antworten für jede Form individueller Mobilität parat zu haben. Und das bedeutet für Porsche, auch künftig begeisternde, puristische Sportwagen mit Verbrennungsmotoren zu bauen. Daneben entwickeln wir unsere effizienten und komfortablen Plug-in-Hybride weiter und werden reine Elektroautos etablieren. Auch das ist Bestandteil unserer Porsche Strategie 2025.

Innovation spielt eine große Rolle in Ihrer Porsche Strategie 2025. Ist Porsche noch nicht innovativ genug?

Blume: Porsche war, ist und bleibt innovativ. Aber wir gehen inzwischen noch systematischer und strukturierter an die Themen heran. Wir konzentrieren uns auf Felder, in denen Porsche besonders stark ist und auch zukünftig führend im Wettbewerb sein wird, also etwa Design, Antrieb oder Fahrzeugarchitektur, aber auch damit verbundene Materialien und Produktionsverfahren – Stichwort Porsche Produktion 4.0. Wir arbeiten noch vernetzter, beschleunigen unsere Prozesse und setzen Mittel flexibler ein.

Haben Sie deshalb die Porsche Digital GmbH gegründet?

Blume: Auch deshalb. Die Porsche Digital GmbH ist unser Kompetenzzentrum, in dem Visionen in die Realität übertragen werden. Wir identifizieren digitale Kundenerfahrungen, Produkte, Geschäftsfelder und Prozesse und entwickeln sie weiter. Wir suchen geeignete Partner und beteiligen uns an Fonds und Start-ups. Wir testen und realisieren neue Wertschöpfungsmodelle und innovative Produkte. Wir sondieren, was einen hohen Kundennutzen bringt oder unsere Prozesse im Unternehmen verbessert. Die Kunst besteht darin, das automobile Know-how von Porsche mit dem digitalen Know-how zu verknüpfen und daraus etwas Neues, Zukunftsfähiges zu machen. Unser Ziel ist, Porsche zu einem führenden Anbieter für digitale Mobilitätslösungen im automobilen Premiumsegment zu entwickeln.

Bisher galt das Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach als Ihre Ideenschmiede. Wird Zukunft by Porsche jetzt woanders gemacht?

Blume: Weissach ist und bleibt unsere Denkfabrik für neue Produkte. Neue Ideen entstehen aber genauso gut in anderen Bereichen, wie etwa in der Beschaffung, in der Produktion oder im Vertrieb. Auch das wird in Zukunft so bleiben. Die neue Tochtergesellschaft befasst sich – eng verzahnt mit den Unternehmensbereichen – in besonderem Maße mit der ganzen Bandbreite digitaler Themen.

In Berlin haben Sie zusätzlich das Porsche Digital Lab gegründet. Auch so etwas wie eine Ideenschmiede?

Blume: Könnte man sagen. Die Porsche Digital GmbH und das Porsche Digital Lab arbeiten Hand in Hand. Während sich Porsche Digital auf die Entwicklung von Produkten und Services für den Kunden konzentriert, stehen in Berlin die Erprobung und der Einsatz digitaler Technologien für Unternehmensprozesse im Fokus.

Digitalisierung und ein neues Innovationsmanagement verändern auch die Unternehmenskultur. Kann man eine Ideenkultur verordnen?

Blume: Nein. So etwas funktioniert nicht wie Licht anknipsen. Aber man kann Wissen vermitteln. Man kann Fähigkeiten verbessern. Und man kann einen organisatorischen Rahmen schaffen, in dem sich Menschen besser entwickeln. Wenn Kreativität zu etwas führen soll, dann muss ich verstehen, was Menschen dazu bewegt, Ideen zu produzieren, oder was sie möglicherweise davon abhält. Welche Frei-Räume brauchen sie? Wie gehen wir mit Fehlern um? Ein Innovationsprogramm investiert nicht in Patente. Es investiert in Menschen.

Wird Porsche eine andere Firma?

Blume: Uns geht es nicht darum, unseren Charakter zu verändern. Was wir wollen, ist eine systematische Generierung von Ideen über alle Bereiche hinweg sowie ihre schnelle und flexible Umsetzung. Wir wollen ohne Scheuklappendenken schnelle Antworten auf dringende Fragen finden. Wir wollen keine Vermeidungs-, sondern eine Unternehmerkultur im wahrsten Sinne des Wortes. Wir wollen nicht anders werden, wir wollen besser werden.

Wo sehen Sie Porsche im Jahr 2025?

Blume: Keiner weiß, wie das Jahr 2025 konkret aussehen wird. Viel entscheidender auf dem Weg dorthin wird sein, eine klare Vision mit konkreten Zielen zu haben. Und die Bereitschaft zu besitzen, dazuzulernen und sich auch flexibel und offen auf Veränderungen einzulassen. So haben wir unsere Porsche Strategie 2025 definiert. Porsche wird in jedem Fall Porsche bleiben – der führende Anbieter für exklusive, sportliche Mobilität.

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