Turbotechnologie

Anfang der 1970er Jahre legt Porsche die technologischen Grundlagen für den Siegeszug des sportlichen und alltagstauglichen Turbomotors.

Die Leistungssteigerung durch Turboaufladung ist Anfang der 1970er Jahre Stand der Technik. Allerdings nur für Flugzeug- oder Dieselmotoren: Alle Versuche, aufgeladene Motoren an dynamische Fahrzustände wie den Übergang vom Beschleunigen in den Schubbetrieb oder während des Schaltvorganges anzupassen, waren bis dahin gescheitert. Die Kraftkur durch den Lader ging in der Regel einher mit drastisch verringerter Lebenserwartung des Triebwerks, hoher Empfindlichkeit und noch kapriziöserem Fahrverhalten. Kurzum: Der Turbomotor galt als unzähmbar.

Doch die Porsche-Ingenieure sind fasziniert von der Idee und entwickeln den Lader Schritt für Schritt neu. Während die Abgastemperaturen von Dieselmotoren nur rund 700 Grad erreichen, sind es beim Porsche-Boxermotor über 900 Grad, was das bisherige Grauguss-Gehäuse der Turbinen nicht verträgt. Hinzu kommen Probleme mit der Abdichtung und Schmierung der Lager, da eine der beiden Turbinen im heißen Abgasstrom liegt, während die andere kühle Außenluft ansaugt. So entsteht neben der neuen Gehäuselegierung eine schwimmende Gleitlagerung der Welle, die vom Ölkreislauf des Motors versorgt wird.

Auch für das Hauptproblem des Turbomotors finden die Weissacher Ingenieure eine innovative Lösung: Statt der herkömmlichen ansaugseitigen Regelung entwickeln sie eine abgasseitige Steuerung des Ladedrucks. Im Teillast- oder Schubbetrieb wird so unerwünschter Überdruck verhindert, indem überschüssige Abgase nicht mehr über die Turbine, sondern über eine parallele Entlastungsleitung − den so genannten Bypass – geleitet werden. Wenn beim Beschleunigen wieder Ladedruck benötigt wird, schließt sich das Bypass-Ventil und die Turbine kann im Abgasstrom ihre volle Arbeitsleistung entwickeln.

Die Erfolge der Porsche-Turbomotoren sind Legende. Den überlegenen Rennwagen des Typs 917 folgt 1974 der 911 Turbo für die Serie, der die Alltagstauglichkeit der Porsche Technologie beweist. Über Jahrzehnte hinweg kultiviert Porsche den Turbomotor zu seiner einzigartigen Spreizung zwischen Leistung und Effizienz, die konventionellen Saugmotoren verschlossen bleibt. Mit Ausnahme des 911 GT3 werden heute alle Porsche von Turbomotoren angetrieben. Aus 260 PS im ersten Turbo von 1974, die im Durchschnitt nach 20,9 Liter Superbenzin je 100 Kilometer verlangen, sind heute 370 PS im 911 Carrera erwachsen, die sich in Verbindung mit PDK mit 7,4 Litern auf 100 Kilometern im NEFZ begnügen. 42 Prozent mehr Leistung steht eine Halbierung des Verbrauchs gegenüber – bei gleichem Hubraum des Sechszylinder-Boxermotors.

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