Das Cockpit des Porsche 919 Hybrid - Multitasking im Renntempo

Im Fokus

Mit Händen und Füßen, Courage, Erfahrung und Instinkt steuern die Fahrer den Porsche 919 Hybrid in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC. Untenherum spielen die Füße Hacke-Spitze. Einige der Porsche-Werksfahrer bremsen mit links, andere bevorzugen den Pedalwechsel mit dem rechten Fuß. Ihre Handarbeit ist noch viel komplizierter. Die Piloten bedienen 24 Knöpfe und Schalter auf der Vorderseite des Lenkrads sowie sechs Wippen auf der Rückseite und noch eine ganze Reihe weiterer Funktionen am Armaturenbrett. Für die Saison 2017 wurden einige der Bedienelemente in Zusammenarbeit mit den Fahrern neu platziert.

Das Lenkrad des 919 ist keine runde Sache, sondern abgeflacht. Die Form ist dem Platzbedarf beim Fahrerwechsel geschuldet. Vor allem groß gewachsene Piloten wie etwa Brendon Hartley hätten sonst Mühe, ihre langen Beine in Sekunden zu verstauen. Im oberen Zentrum befindet sich ein großes Display, das dem Fahrer vielfältige Informationen anzeigt. Etwa die Geschwindigkeit, den eingelegten Gang, das aktuell gewählte Motormanagement und den Ladestatus der Lithium-Ionen-Batterie, also die bereitstehende Menge elektrischer Energie, die zum Antrieb der Vorderachse abgerufen werden kann. Der Elektromotor an der Vorderachse ergänzt den aufgeladenen Zweiliter-Vierzylinder-Verbrennungsmotor, der die hinteren Räder antreibt.

Die am häufigsten benutzten Knöpfe sind oben außen positioniert, bequem mit den Daumen erreichbar. Der blaue Knopf oben rechts ist praktisch ein Dauerbrenner – das ist die Lichthupe, mit der die schnellen Klasse-1-Prototypen die langsameren Fahrzeuge im Feld beim Überrunden warnen. Einmal Drücken löst dreimal Blitzen aus. Bei Tageslicht halten die Piloten den Daumen fast permanent darauf, denn dann wird das Scheinwerfersignal naturgemäß schlechter wahrgenommen.

Ebenfalls hoch frequentiert ist der rote Knopf oben links. Mit ihm wird die elektrische Energie aus der Batterie abgerufen, der so genannte “Boost”. Die Fahrer können boosten, um zu überholen, müssen sich den Strom aber einteilen. Die Energiemenge pro Runde ist festgelegt. Maßstab ist eine Runde in Le Mans, dort stehen acht Megajoule zur Verfügung. Für kürzere Rennstrecken wird umgerechnet. Die Energiemenge, die ein Fahrer etwa in der Mitte einer Runde abruft, um sich aus dem Verkehr zu befreien, fehlt ihm auf der restlichen Runde.

Unter dem Display befinden sich fünf Drehschalter. Der zentrale, orange umrandete ist neu dort und steuert die Energiemenge beim Boosten. Der rot markierte Drehschalter links daneben (TC F) regelt die Traktionskontrolle und ist ebenfalls neu, er ersetzt zwei Knöpfe. Der rechte grüne Drehschalter (RECUP) dient der Einstellung des Rekuperationsverhaltens, also der Steuerung der Energierückgewinnung. Die Drehschalter unten links und unten rechts (TC/CON und TC R) dienen der Voreinstellung für die Traktionskontrolle. Unten mittig sitzt der An-/Ausschalter für den Verbrennungsmotor (Start/Kill).

Feinjustierungen für verschiedene Motor- und Hybrideinstellungen können die Piloten über blauen Knöpfe ganz oben außen am Lenkrad (MI- und MI+) anwählen. Unterhalb befinden sich rechts und links die pinkfarbenen Plus-und-Minus-Schalter für die prinzipielle Verteilung der Bremsbalance (BR) zwischen der Vorder- und der Hinterachse. Das gelbe Pärchen darunter ist neu an diesem Platz: Mit dem „Box“-Knopf links bestätigen die Fahrer, dass sie verstanden haben und gleich die Box ansteuern. Das gelbe Pendant rechts, „Wipe“, löst den Scheibenwischer aus.

Die grünen Knöpfe darunter bedienen links den Sprechfunk (RAD), rechts sitzt der OK-Knopf, mit dem die Fahrer bestätigen, dass sie Einstellungsänderungen vorgenommen haben, um die sie per Sprechfunk gebeten wurden. Eine multidirektionale Telemetrie ist verboten – die Ingenieure dürfen nicht aktiv eingreifen, sie können nur auf Daten basierte Informationen und Aufträge mitteilen.

Die roten Knöpfe auf der nächsten Ebene bedienen links das Trinksystem (DRINK) und rechts die Segelfunktion (SAIL), also das benzinsparende Fahren ohne Beschleunigung durch den Verbrennungsmotor.

Der orangefarbene Knopf PIT auf der linken Seite löst den Tempomaten für die Boxengasse aus (60 km/h). Sein gelbes Pendant auf der rechten Seite ist mit FCY bezeichnet und der Tempomat für Neutralisationsphasen – bei „Full Course Yellow“ müssen 80 km/h eingehalten werden.

Auf der vertikalen Achse links in der Mitte sitzt ein goldgelber Drehregler. Seine Bezeichnung „M“ steht für Multi. Dieses Rädchen korrespondiert mit den beiden Drehreglern ganz oben außen am Lenkrad. Bittet die Box beispielsweise um die Einstellung „Alpha 21“, wählt der Fahrer „A“ am größeren goldgelben Drehregler, dann den Zehnerschritt „2“ mit dem oberen linken Regler (rot), die Ziffer „1“ mit dem oberen rechten Regler (dunkelgrün) und drückt anschließend OK. Hinter diesen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen verbergen sich Programme zur Motorsteuerung oder zum Kraftstoffmanagement.

Mit dem blauen Drehregler rechts auf halber Höhe des Lenkrads (S) bestimmen die Fahrer die Strategie für den Verbrennungsmotor. Zur besseren Erkennbarkeit der Schalter bei Dunkelheit sind ihre Farben fluoreszierend und reagieren auf eine Schwarzlichtlampe über dem Fahrerhelm.

Das Lenkrad ist aus Carbon gefertigt, die Griffe sind mit rutschfestem Gummi überzogen. Dank Servounterstützung können die Fahrer das Auto auch mit dem relativ engen Griff problemlos steuern. Beim Durchgreifen der Speichen erreichen ihre Finger sechs Wippen auf der Rückseite des Lenkrads. Mit der mittleren Wippe wird geschaltet – rechts ziehen bedeutet hochschalten, links ziehen bedeutet runterschalten. Die unteren Wippen bedienen die Kupplung. Mit der mittleren Wippe wird geschaltet – rechts ziehen bedeutet hochschalten, links ziehen bedeutet runterschalten. Die unteren Wippen bedienen die Kupplung. Die Wippen oben bedienen den Boost. Ob ein Fahrer diese Wippen oder den beschriebenen Knopf auf der Vorderseite zum Boosten benutzt, ist reine Geschmackssache.

Damit ist der Platz auf dem Lenkrad erschöpft. Für weitere Bedienfunktionen müssen die Fahrer ans Armaturenbrett greifen. Dorthin wanderte neu auch der Drehschalter zur Auswahl der im Display dargestellten Informationen. Ferner können die Piloten die Lichtstärke des Displays nachts abdimmen, die Lautstärke des Sprechfunks und das Intervall für den Scheibenwischer einstellen, das Getriebe in Neutralstellung bringen, den Rückwärtsgang einlegen, das Regen-Rücklicht und den Ventilator für das Cockpit einschalten, die Benzinpumpe aktivieren sowie Blinker und Warnblinker auslösen. Und schließlich sitzen am Armaturenbrett der Hauptstromschalter, die Zündung und der Ein-/Ausschalter für das Hybridsystem sowie der Knopf für den Feuerlöscher. Eine weitere Neuerung im Cockpit ist die Rückblickkamera.

nächster Artikel
Aerodynamik
vorheriger Artikel
Hybridtechnologie und Hochvolttechnik