Porsche-Sportwagenentwicklung: die Le-Mans-Siegerautos
Im Fokus
18 Gesamtsiege in Le Mans sind unangefochtener Rekord. Porsche erzielte sie mit sehr unterschiedlichen Rennwagen. Jeder ein Technologiepionier seiner Zeit.
Nach mehreren Klassensiegen und Anläufen gelang Porsche mit dem 917 Kurzheck Coupé 1970 der ersehnte erste Gesamtsieg in Le Mans. Als Ende 1967 ein neues Regelwerk für die Sportwagen-Weltmeisterschaft veröffentlicht wurde, war der Entschluss gefallen, einen Wagen für die Klasse bis fünf Liter Hubraum zu bauen. Damals mussten für die Homologation noch Kleinserien produziert werden. Der 917 erhielt einen luftgekühlten Zwölfzylinder-Motor, in der 4,9-Liter-Version leistete er 580 PS (426 kW) bei 8.300 Umdrehungen pro Minute. Hans Herrmann (DE) und Richard Attwood (GB) gewann 1970 mit dem roten von Porsche Salzburg eingesetzten 917. „Unter kuriosen Umständen“, erinnert sich Attwood. Er hatte sich vor dem Rennen zwei konservative Wünsche ausbedungen: „Erstens wollte ich den 4,5-Liter- Zwölfzylinder anstatt des meiner Meinung nach anfälligen Fünflitermotors. Zweitens wollte ich die Kurzheck-Version des 917, weil das Auto mit dem langen Heck so instabil lag.“ Nach dem Qualifying fanden sich die beiden weit abgeschlagen auf Platz 15 wieder und bereuten ihre Entscheidung für die harmlosere Variante. Doch im Rennen setzten sich tatsächlich Konstanz und Zuverlässigkeit durch.
1971 siegte erneut ein 917 Kurzheck. Diesmal mit Gijs van Lennep (NL) und Helmut Marko (AT) am Steuer. Dass der Wagen mit einem ultraleichten, aber durchaus umstrittenen Gitterrohrrahmen aus Magnesium ausgestattet war, erfuhren die beiden erst hinterher. Auch aerodynamisch war der 800 Kilogramm leichte 4,9-Liter-Sportler exotisch ausgelegt: So genannte Haifischflossen am Heck sorgten für mehr Fahrstabilität und einen um elf Prozent geringeren Luftwiderstand. Auf dem Weg zum zweiten Porsche-Gesamtsieg stellten van Lennep und Marko zwei Rekorde auf, die 39 Jahre lang Bestand hatten: die Distanz von 5.335,16 km und die Durchschnittsgeschwindigkeit von 222,3 km/h. Obendrein gewannen sie den „Index of Performance“ für den geringsten Kraftstoffverbrauch im Verhältnis zum Hubraum.
In Sachen Hubraum war der nächste Porsche-Gesamtsieger ein Zwerg – der erste erfolgreiche Turbo an der Sarthe. 1976 gewann der 936 Spyder mit einem 2,1-Liter-Sechszylinder-Boxer-Biturbo aus dem 911 Turbo RSR, er leistete 540 PS (397 kW). Aluminium war nun der ebenfalls leichte, aber im Vergleich zu Magnesium sicherere Baustoff für den Gitterrohrrahmen des offenen Wagens. Die aerodynamisch optimierte Karosserie bestand aus Kunststoff, am Steuer wechselten sich van Lennep und Jacky Ickx (BE) ab. Seinen größten Le-Mans-Sieg errang Ickx mit dem 936 Spyder im Folgejahr: Nach dem Ausfall des eigenen 936 stieg er 1977 bei Jürgen Barth (DE) und Hurley Haywood (USA) zu, die allerdings nach Problemen nur an 42. Stelle lagen. „Was dann geschah“, sagt Ickx noch heute, „war wie ein Rausch. Ich fuhr die ganze Nacht durch, wurde immer schneller, trotz Regen und Nebel. Platz 35, 28, 20, neun, sechs, fünf – alle haben gespürt, dass wir das Unvorstellbare erreichen können. Jürgen und Hurley fuhren schneller denn je, die Mechaniker leisteten Unglaubliches.“ Am Vormittag schieden drei Renault aus – der 936 führte nun mit 16 Runden Vorsprung. Zum Schluss verweigerte am Porsche noch einer der sechs Zylinder seinen Dienst. Barth trug den waidwunden 936 als Sieger ins Ziel.
1979 waren die 936 des Werksteams in der Favoritenrolle, bekamen allerdings Probleme. Den fünften Gesamtsieg eines Porsche holte das Privatteam Kremer Racing mit einem 935K3 – einer Rennversion des 911 mit einem Dreiliter-Sechszylinder-Boxermotor. Mit diesem über 600 PS (441 kW) starken Derivat begann die große Zeit der Produktionsrennwagen der Gruppe 5. Optisch ließen sich die Verwandtschaftsverhältnisse zum 911 Turbo nur erahnen. Der 935 war bulliger, besaß eine flache Schnauze und einen gewaltigen Doppelflügel am Heck. In diesem 935 debütierte der wassergekühlte Vierventil-Zylinderkopf, der später in Serie ging.
1981 waren die alten Gruppe-6-Prototypen noch einmal wieder zugelassen in Le Mans. Der 936 besaß inzwischen einen größeren Turbomotor mit 2,6 Litern Hubraum, Ickx und Derek Bell (GB) gewannen mit 186 Kilometern Vorsprung.
1982 errangen dieselben Fahrer den siebten Porsche-Gesamtsieg, allerdings mit einem vollkommen neuen Porsche: Die Ära der Gruppe C hatte begonnen, und der ebenso innovative wie kompromisslose Porsche 956 wurde für Jahre unschlagbar in Le Mans (Siege 1982, 1983, 1984 und 1985). Er war der erste Porsche-Rennwagen mit Aluminium-Monocoque-Chassis und Ground Effect und profitierte von einem höchst effizienten Sechszylinder-Boxer-Biturbo. Die Weiterentwicklung dieses Raumschiffes wurde der Porsche 962 C, mit dem das Werksteam 1986 und 1987 gewann. In den Gruppe-C-Boliden 956 und 962 wurde eine technische Revolution eingeführt: das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe. Das PDK ermöglichte erstmalig Gangwechsel ohne Zugkraftunterbrechung.
Nach dem Ende der Gruppe C entstanden neue Prototypenklassen, für die Porsche keine Werkswagen entwickelte. Die Zahl der Le-Mans-Siege wuchs dennoch: 1994 gewann ein modifizierter und von Dauer eingesetzter 962 in der neuen GT1-Klasse. 1996 und 1997 siegte Joest Racing mit dem TWR Porsche.
Für Werks- und Kundeneinsätze im GT-Rennsport entwickelte Porsche den 911 GT1, der 1996 in Le Mans debütierte. In der GT1-Klasse traten geschlossene Sportwagen an, die der Serie entlehnt sein mussten. Und sie konnten mit den teilweise offenen Klasse-1-Prototypen um den Gesamtsieg kämpfen.
Als erster Elfer überhaupt besaß der GT1 einen wassergekühlten Mittelmotor, der neben einer ausgewogenen Achslastverteilung auch aerodynamisch Vorteile bot. 1998 setzte Porsche beim überarbeiteten GT1 erstmals ein Kohlefaserchassis ein. Durch das Monocoque aus carbonfaserverstärktem Kunststoff, eine überarbeitete Radaufhängung an der Vorderachse sowie Gewichtseinsparungen an Batterie und Generator verlor der GT1 für den Einsatz 1998 rund 50 Kilogramm Kampfgewicht. Ein weiteres Novum war die Dreischeiben-Rennkupplung aus Kohlefaser. Der deutlich verbrauchsoptimierte Sechszylinder-Boxer leistete nun 550 PS (405 kW).
Passend zum 50-Jahr-Jubiläum von Porsche kamen 1998 zwei GT1 in auf den Plätzen eins und zwei ins Ziel. Das Siegertrio hieß Laurent Aïello (FR), Allan McNish (GB) und Stéphane Ortelli (MC). Dieser Erfolg musste lange nachhallen. Denn erst seit 2014 bietet Porsche den Fans wieder einen Werksrennwagen in der Top-Kategorie. Mit dem zukunftsweisenden Porsche 919 Hybrid errang das Unternehmen 2015 und 2016 die Porsche-Gesamtsiege Nummer 17 und 18 in Le Mans.