Die 1930er Jahre

+1931

Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise wird am 25. April die “Dr. Ing. h.c. F. Porsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Konstruktion und Beratung für Motoren- und Fahrzeugbau” in das Stuttgarter Handelsregister eingetragen. Das in der Stuttgarter Kronenstraße 24 ansässige Konstruktionsbüro hatte bereits zuvor, im Dezember 1930, mit 12 Mitarbeitern begonnen. Neben Ferdinand Porsche, der 24.000 RM ins Stammkapital der GmbH einlegt, beteiligen sich sein Schwiegersohn Dr. Anton Piëch sowie Adolf Rosenberger als geschäftsführende Gesellschafter mit jeweils 3000 RM.

Den ersten Auftrag an das Konstruktionsbüro vergibt der Chemnitzer Automobilhersteller Wanderer, für den eine Sechszylinder-Mittelklasselimousine (Typ 7) sowie ein neuer Reihen-Achtzylindermotor entwickelt werden. Es folgen eine Schwingachse (Typ 10) für die Horch-Werke Zwickau und ein im Auftrag der Zittauer Phänomen-Werke konstruierter luftgekühlter Fünfzylinder-Sternmotor (Typ 18), der dem Antrieb von Lastwagen dienen soll.

Ab September arbeitet das Konstruktionsbüro Porsche im Auftrag der Zündapp GmbH an einem Kleinwagen mit der Typnummer 12, der sich mit Heckmotor, Zentralrohrrahmen und einem vor der Hinterachse liegenden Getriebe als richtungsweisend für den späteren Volkswagen erweisen soll.

Als technischer Höhepunkt des ersten Arbeitsjahres und Meilenstein der Technikgeschichte gilt die am 10. August zum Patent angemeldete Drehstabfederung „System Porsche“ (Typ 17), die noch heute im internationalen Automobilbau Anwendung findet.

+1932

Die allgemeine wirtschaftliche Depression bleibt auch für das Porsche-Konstruktionsbüro nicht ohne Konsequenzen, und so wird das Jahr 1932 zu einer ersten Bewährungsprobe für die junge Firma. Obwohl die Arbeiten am Typ 12 im Frühjahr abgeschlossen sind, verzichtet Zündapp aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Serienfertigung des viel versprechenden Kleinwagenmodells, da man sich allein auf den Motorradbau beschränken möchte.

Als Automobilkonstrukteur von Weltruf erhält Dr. Ferdinand Porsche Besuch einer russischen Delegation, die ihm anbietet als „Generaldirektor für Entwicklung und Konstruktion“ die sowjetische Automobilindustrie weiter aufzubauen. Nach einer mehrwöchigen Russlandreise und der Besichtigung zahlreicher Industrieanlagen lehnt der 57-jährige den hoch dotierten Posten ab – zu groß erscheinen ihm die sprachlichen und kulturellen Hürden.

Nach Bekanntgabe der neuen 750-kg-Rennformel durch die internationale Rennsportbehörde sieht Dr. Ferdinand Porsche die Chance, seine langjährige Erfahrung als Rennwagenkonstrukteur erneut unter Beweis zu stellen. Um die finanziellen Risiken eines kapitalintensiven Rennwagenprojektes zu reduzieren, wird eine Tochtergesellschaft gegründet, die ebenfalls in der Kronenstraße 24 firmiert. Die „Hochleistungs-Fahrzeug-Bau GmbH“ wird am 19. November in das Handelsregister eingetragen und beschäftigt sich zunächst mit der Konstruktion eines neuen 16-Zylinder-Hochleistungsmotors für einen zukünftigen Grand-Prix-Rennwagen.

+1933

Nach langen Verhandlungen gelingt am 17. März der Vertragsabschluss mit dem sächsischen Automobilkonzern Auto Union über den Bau eines 750-kg-Formel-Rennwagens. Unter der Leitung von Oberingenieur Karl Rabe entwickelt das kleine Team von Porsche-Technikern den als Mittelmotor-Fahrzeug ausgelegten Typ 22 binnen weniger Monate so weit, dass noch im Frühjahr bei der Auto Union in Chemnitz mit dem Bau des ersten P-Rennwagens (P für Porsche) begonnen werden kann. Neben dem hohen Prestigewert ist die Konstruktion des Typ 22 auch finanziell für das Büro Porsche so lukrativ, dass die zuvor als Sicherheitsmaßnahme gegründete „Hochleistungs-Fahrzeug-Bau GmbH“ wieder liquidiert werden kann.

Neben dem Auto Union-Rennwagen Typ 22 wird ein von den NSU-Werken georderter Kleinwagen zum wichtigsten Entwicklungsauftrag des Jahres. Die Konstruktionsarbeiten beginnen im August und sehen für den Typ 32 einen im Fahrzeugheck liegenden, luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotor sowie die Porsche-Drehstabfederung vor. Nach der Genehmigung der Konstruktionen durch NSU-Vorstand Fritz von Falkenhayn am 10. November entstehen beim Heilbronner Karosseriebauer Drauz zwei Prototypen in Gemischtbauweise mit Holzkarosserie und Kunstlederüberzug. Für einen dritten Prototypen fertigen die in der Stuttgarter Augustenstraße ansässigen Karosseriewerke Reutter eine Ganzstahlkarosserie an.

+1934

Im Zuge der angespannten Wirtschaftslage ist die Idee eines preisgünstigen Kleinwagens beziehungsweise Volkswagens schon seit den späten 1920er¬ Jahren immer wieder von verschiedenen Automobilkonstrukteuren aufgenommen worden. Dr. Ferdinand Porsche stellt am 17. Januar dem Reichsverkehrsministerium in Berlin seine persönliche Quintessenz zu diesem Thema im „Exposé betreffend den Bau eines Deutschen Volkswagens“ vor. Der darin skizzierte Typ 60 ist zu diesem Zeitpunkt bereits der achte unter seiner Regie entwickelte Kleinwagen. Nicht zuletzt die im Konstruktionsbüro Porsche ausgeführten Auftragsarbeiten für Zündapp und NSU zeigen bereits technische und stilistische Elemente des späteren Volkswagens.

Am 22. Juni erhält die „Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH“ vom „Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie“ (RDA) offiziell den Auftrag zur Konstruktion und zum Bau eines deutschen Volkswagens. Vereinbart wird zunächst die Herstellung eines Prototypen, die Zahl der Versuchswagen wird am 7. Dezember 1934 vertraglich auf drei Fahrzeuge erhöht.

Neben der Arbeit am Volkswagen-Projekt betreut das Konstruktionsbüro während der Rennsaison 1934 den als Porsche Typ 22 entwickelten Auto Union P-Rennwagen. Bereits im Januar finden im Beisein von Dr. Ferdinand Porsche Versuchsfahrten auf der Berliner AVUS statt. Während seines ersten Einsatzjahres erzielt der Auto Union P-Wagen drei Weltrekorde und gewinnt neben vier internationalen Bergrennen den Grand Prix von Deutschland, der Schweiz und der Tschechoslowakei.

+1935

Vier Jahre nach der Gründung des Konstruktionsbüros Porsche wächst die Belegschaft zum 1. Januar auf 35 Mitarbeiter an. Mit Hochdruck und nicht zuletzt auch gegen Widerstände der deutschen Automobilindustrie, die eine Konkurrenz zu ihren bereits bestehenden Fahrzeugmodellen befürchtet, wird am Volkswagen-Projekt gearbeitet. In der Garage des Stuttgarter Porsche-Anwesens am Feuerbacher Weg entstehen zwei Volkswagen-Prototypen des Typ 60. Das erste fahrfertige Fahrzeug, genannt V1, wird am 3. Juli 1935 einer Kommission des „Reichsverbandes der Deutschen Automobilindustrie“ (RDA) vorgestellt. Der zweite Versuchswagen V2 tritt am 22. Dezember zur Jungfernfahrt an und wird am 29. Dezember zusammen mit dem V1-Prototyp in München Adolf Hitler präsentiert.

Parallel zur Fahrzeugentwicklung werden seit Dezember innerhalb der Porsche GmbH noch weitere Aufgabengebiete bearbeitet: Neben der Konstruktion eines 1000 PS starken Flugmotors (Typ 55) für die Münchener Süd-Bremse AG bestellt die Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DVL) einen 32- sowie 16-zylindrigen Flugmotor mit der internen Konstruktionsbezeichnung Typ 70 beziehungsweise Typ 72.

Weitere realisierte Projekte bestehen in einer Schwingachskonstruktion(Typ 56) für den britischen Rennstall ERA sowie einer Kraftrad-Studie für den Nürnberger Motorradhersteller Zündapp.

+1936

Während im Februar mit dem Bau drei weiterer Volkswagen-Prototypen mit der Bezeichnung „V3“ begonnen wird, kommt seitens des „Reichsverbandes der Automobilindustrie“ (RDA) vermehrt Widerstand auf. Terminverzögerungen und technische Probleme der Versuchsfahrzeuge führen zu heftiger Kritik des RDA-Präsidenten Robert Allmers. Entgegen der ersten Überlegung, den Volkswagen von den deutschen Automobilherstellern gemeinsam bauen zu lassen, entscheidet sich Adolf Hitler am 4. Juli für den Bau eines eigenständigen Volkswagenwerks, mit dessen Planung Dr. Ferdinand Porsche beauftragt wird.

Um sich über die amerikanischen Produktionsmethoden zu informieren, startet Dr. Porsche zusammen mit seinem Neffen und Privatsekretär Ghislaine Kaes am 1. Oktober zu einer sechswöchigen Studienreise in die Vereinigten Staaten von Amerika. In Detroit besichtigt er die modernen Produktionsanlagen der Ford Motor Company und der General Motors Corporation. Zurück in Deutschland erhält Dr. Porsche am 18. Dezember „für hervorragende Leistungen im Kraftwagenbau“ die vom „Österreichischen Gewerbeverein“ vergebene Wilhelm-Exner-Medaille.

Bis Mitte Dezember legen die V3-Volkswagen-Prototypen während ihrer ausführlichen Dauer-Versuchsfahrten je 50.000 Kilometer zurück, ohne dass grundsätzliche Mängel auftreten. Neben den Fahrern der Porsche GmbH sind die Versuchswagen mit technischen Beobachtern des RDA besetzt.

+1937

Neben der Entwicklung technischer Fahrzeugkomponenten gibt die Daimler-Benz AG am 11. März die Konstruktion des Typ 80-Rekordwagens in Auftrag, der mit einem 3500 PS Spezial-Flugmotor den Geschwindigkeitsrekord zu Lande brechen soll. Zeitgleich entsteht bei Daimler-Benz im Auftrag des RDA eine Versuchsreihe von dreißig Volkswagen-Prototypen des Typs W30. Die einjährige Fahrerprobung durch eine SS-Fahrbereitschafts-Staffel findet ab dem 15. Mai unter technischer Betreuung von Ferdinand Porsches Sohn Ferry statt und führt über 2,4 Millionen Versuchskilometer.

Am 28. Mai wird in Berlin unter der Trägerschaft der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) die „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“ (Gezuvor) gegründet. Als einer von drei Geschäftsführern ist Dr. Ferdinand Porsche nun offiziell für Technik und Planung des zukünftigen Volkswagenwerkes zuständig.

In Begleitung seines Sohnes Ferry sowie des Neffen Ghislaine Kaes bricht Dr. Porsche am 26. Juni – zusammen mit den anderen zwei „Gezuvor“-Geschäftsführern Bodo Lafferentz und Jakob Werlin – zu einer zweiten Studienreise in die USA auf. Ziel der Reise ist neben dem Ankauf von Spezialmaschinen auch die Anwerbung von Produktionsspezialisten für das Volkswagenwerk.

Die am 24. November begonnene Konstruktion des Klein-Schleppers Typ 110 mit luftgekühltem 12-PS-Zweizylindermotor wird zur Grundlage des späteren „Volkstraktors“ sowie für die nach dem Zweiten Weltkrieg produzierten Porsche-Diesel-Schlepper.

Zum Jahresende 1937 erfolgt die Umwandlung der „Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH“ in die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG). Neben dem Geschäftsführer Dr. Ferdinand Porsche sind die weiteren Gesellschafter Dr. Anton Piëch, Baron Hans Veyder von Malberg, Ferry Porsche sowie Louise Piëch.

+1938

Für die „Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG“ beginnt das Jahr 1938 mit dem Konstruktionsauftrag eines Doppelkompressors für den Zwölfzylindermotor des Mercedes-Benz 3-Liter-Formelrennwagens W 154 sowie des Typ 90, einer Rennwagenstudie, die jedoch nie realisiert werden sollte.

Im Frühjahr wird eine zweite Serie von dreißig Volkswagen-Versuchsfahrzeugen des Typs VW 38 aufgelegt und vom Stuttgarter Karosseriewerk Reutter & Co. mit Wagenaufbauten versehen. Pro Woche entstehen zwei Karosserien, die mit an der A-Säule angeschlagenen Türen und dem so genannten Brezelfenster ihre endgültige Form erreicht haben.

Am 25. Juni verlässt das Konstruktionsbüro Porsche die Kronenstraße 24 und bezieht in Stuttgart-Zuffenhausen ein eigenes Gebäude. Das an der Spitalwaldstraße 2 gelegene Grundstück hatte Ferry Porsche im Firmenauftrag bereits im Mai 1937 erworben und somit zugleich den Ort des späteren Porsche-Werks 1 bestimmt.

Ab Juni finden mit dem in „KdF-Wagen“ umbenannten Volkswagen Vergleichsfahrten mit anderen Serienfahrzeugen statt. In der ersten Juliwoche nimmt Ferry Porsche mit einer V 303 Volkswagen-Limousine sowie einem Cabriolet an einer Alpen-Vergleichsfahrt teil. Gegen Ende des Monats folgt eine zweite Vergleichsfahrt mit dem inzwischen ausgereiften VW 38.

Mit dem Projekt Typ 114 entsteht im September auf den Porsche-Zeichenbrettern ein innovativer 1,5-Liter-Mittelmotor-Sportwagen. Für den daraus abgeleiteten Rennwagentyp 116 sehen die Techniker einen wassergekühlten Zehnzylinder-V-Motor vor. Im Folgejahr macht der Kriegsausbruch jedoch alle Pläne zur Umsetzung dieser Projekte zunichte. Glücklicher ergeht es dem für das Langstreckenrennen von Berlin nach Rom vorgesehenen Typ 64, der als Urahn aller späteren Porsche-Sportwagen gilt und mit dessen Konstruktion im September begonnen wird.

+1939

Unter der Bezeichnung Typ 64 beziehungsweise Typ 60K10 entwickelt und baut die „Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG“ im Frühjahr drei Rennsport-Coupés für das im September des Jahres geplante Langstreckenrennen Berlin-Rom. Mit einer Stromlinienkarosserie aus Aluminium sowie einem modifizierten VW-Boxermotor mit 50 PS erreicht der „Berlin-Rom-Wagen“ eine Spitzengeschwindigkeit von 145 km/h. Als der Kriegsbeginn die Austragung des Rennens verhindert, nutzt das Konstruktionsbüro Porsche die fertig gestellten Rennsportwagen als schnelle Reisefahrzeuge, die Durchschnittsgeschwindigkeiten von über 130 km/h erreichen.

Auf der Grundlage des im Februar auf der Berliner Automobilausstellung präsentierten „KdF-Wagens“ werden im Verlauf des Jahres weitere Fahrzeugtypen zur militärischen Nutzung vorbereitet. Neben dem Typ 81 „VW-Kastenwagen“ entwickelt die Porsche KG den Typ 62 „KdF-Gelände-Fahrzeug“, den als „VW-Kübelwagen“ bekannt gewordenen Typ 82 sowie den mit Allradantrieb ausgestatteten Typ 87.

Der luftgekühlte VW-Motor dient neben dem Fahrzeugantrieb auch als Stationärmotor (Typ 120), der für verschiedene Einsatzzwecke mit Magnet- sowie Batteriezündung konzipiert wird.

Anfang Dezember erhält das Porsche-Konstruktionsbüro vom Heeres-Waffenamt den ersten Auftrag zur Entwicklung eines mittelschweren Kampfpanzers. Die Konstruktion des Typ 100 „Leopard“, für dessen benzin-elektrischen Mischantrieb zwei luftgekühlte V10-Dieselmotoren vorgesehen sind, wird im April 1941 abgeschlossen. Da Ende Mai 1941 jedoch ein schwererer Panzer benötigt wird, werden alle weiteren Arbeiten am Typ 100 vorzeitig eingestellt.