Ferdinand Porsche als Wegbereiter des Hybridantriebs

Porsche Museum präsentiert historisches Hybridautomobil aus dem Jahr 1900

Professor Ferdinand Porsche (1875 – 1951) gilt als Automobilkonstrukteur und Gründervater der heutigen Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart, als einer der führenden Techniker seiner Epoche. Mit Fahrzeugen wie dem Austro Daimler „Sascha“ (1922), den Mercedes-Benz S-Typen (1926) oder dem Auto Union Grand Prix-Rennwagen (1933) und dem Volkswagen „Käfer“ (1934) hat er Automobilgeschichte geschrieben.

Der Name Porsche wird schon seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts mit wegweisenden Innovationen im Automobilbau assoziiert. Im Jahr 1900 präsentierte Ferdinand Porsche seinen „Lohner-Porsche“, ein Elektroautomobil mit Radnabenantrieb, das bald darauf auch als Weltneuheit über Allradantrieb und Vierradbremse verfügte. Ein Höhepunkt seiner Anfangsjahre als Automobilkonstrukteur war der Lohner-Porsche „Semper Vivus“, der vor 111 Jahren als das erste funktionsfähige Hybridautomobil in die Geschichte einging.

Porsche würdigt diese visionäre Erfindung Ferdinand Porsches mit dem Neuaufbau des „Semper Vivus“. Die voll funktionstüchtige Replik des „Semper Vivus“ entstand auf der Grundlage von Originalzeichnungen und umfangreichen Recherchen. In Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Porsche Engineering und der Firma Karosseriebau Drescher aus Hinterzarten entstand ein originalgetreuer Nachbau, dessen visionäres Konzept auch heute noch beeindruckt.

Die Geschichte des Lohner-Porsche „Semper Vivus“

Ferdinand Porsche hat sich bereits ab dem Jahr 1896 mit der Konstruktion und Entwicklung seiner Automobile beschäftigt. Das erste Resultat war ein von gelenkten Radnabenmotoren angetriebenes Elektrofahrzeug mit dem Namen „Lohner-Porsche“, das auf der Pariser Weltausstellung 1900 für Aufsehen sorgte. Bald darauf zeigte Ferdinand Porsche immer eindrucksvoller, welche Innovationskraft in ihm steckte: Ein mit vier elektrischen Radnabenmotoren ausgerüsteter Rennwagen wurde zum ersten allradangetriebenen Personenwagen der Welt, der zugleich die Vierradbremse in den Automobilbau einführte. Nicht weniger visionär war die nächste Idee Ferdinand Porsches: Ebenfalls noch im Jahr 1900 kombinierte er seine batteriegespeisten Radnabenantriebe mit einem Benzinmotor – das Prinzip des seriellen Hybridantriebs war geboren.

Mit dem ersten funktionsfähigen Vollhybridautomobil der Welt, dem „Semper Vivus“, betrat Ferdinand Porsche technisches Neuland. Bei diesem Fahrzeug bildeten zwei mit Benzinmotoren gekoppelte Generatoren eine Ladeeinheit, die gleichzeitig Radnabenmotoren und Batterien mit Strom versorgte. Im Herbst 1900 machte sich Ferdinand Porsche an die Arbeit zu einem ersten Prototypen mit „benzin-elektrischem Mischantrieb“. Als Grundlage diente ihm vermutlich sein Renn-Elektromobil vom Semmering-Bergrennen, das er zum ersten Vollhybrid-Automobil der Welt umfunktionierte. Hierzu kombinierte er seine elektrischen Radnabenmotoren mit zwei Verbrennungsmotoren, die keinerlei mechanische Verbindung zu einer Antriebsachse hatte. Statt dessen trieben diese jeweils einen elektrischen Generator an, der sowohl die Radnabenmotoren als auch die Akkumulatoren mit Elektrizität versorgte. Der serielle Hybridantrieb war geboren. Als Vollhybrid-Konzept war der „Semper Vivus“ („Immer lebendig“) zudem in der Lage, auch größere Distanzen rein elektrisch zu fahren, bis der Verbrennungsmotor als Ladestation in Betrieb genommen werden musste.

Um Gewicht zu sparen und Platz für einen Benzinmotor zu schaffen, tauschte Ferdinand Porsche den ursprünglichen 74-zelligen Akkumulator seiner Elektromobile durch eine kleinere Batterie mit nur 44 Zellen aus. Zur Stromerzeugung installierte er in der Fahrzeugmitte zwei wassergekühlte 3,5-PS-DeDion-Bouton-Benzinmotoren, die zwei Generatoren mit je 2,5 PS antrieben. Beide Motoren liefen getrennt von einander und lieferten jeweils 20 Ampere bei einer Spannung von 90 Volt. Der von den Dynamos erzeugte Strom floss zunächst an die Radnabenmotoren, von denen die Überschussleistung an die Batterien weitergeleitet wurde. Ein besonderer Nebeneffekt bestand außerdem darin, dass sich die Generatoren über eine Umkehr der Drehrichtung zudem als elektrische Anlasser der Benzinmotoren nutzen ließen.

In der Praxis hatte Ferdinand Porsche noch immer mit dem Hauptproblem seiner Radnaben-Automobile zu kämpfen – dem hohen Fahrzeuggewicht. Obwohl das Gesamtgewicht seines „Semper Vivus“-Hybridwagens die Ursprungsvariante nur um 70 Kilogramm überstieg, waren die 1.200 Kilogramm des Prototyps eine Herausforderung an die weiche Gummimischung der damaligen Luftbereifung. Auch sonst war es noch ein weiter Weg bis zur Serienreife des Hybrid-Konzeptes. Mit seinem Chassis ohne Karosserie, den offenen Benzinmotoren und der ungefederten Hinterachse vermochte der „Semper Vivus“ zwar die Fachbesucher der Pariser Automobilausstellung im Jahr 1901 zu beeindrucken, doch potenzielle Autokäufer dürften sich vom spartanischen Prototyp nur wenig angesprochen gefühlt haben. Auch das gemeinsame Spiel von Motor, Batterien und Regelung verlangte noch viel Entwicklungsarbeit, und neben der anspruchsvollen Regelungstechnik sorgte aufgewirbelter Schmutz immer wieder für Probleme der Akkumulatoren. Und doch hatte das Hybrid-Konzept neue Perspektiven aufgezeigt, die Ferdinand Porsche entschlossen umsetzte.

Der Weg zum Lohner-Porsche „Mixte“

Aus dem überarbeiteten Konzept seines „benzin-elektrischen Mischwagens“ entwickelte Ferdinand Porsche ebenfalls noch im Jahr 1901 eine serienreife Variante, die als Lohner-Porsche „Mixte“ (nach dem französischen Begriff „voitures mixtes“) bezeichnet wurde. Dieses Modell orientierte sich mit einem Vierzylinder-Frontmotor am Fahrzeugkonzept des kurz zuvor von Wilhelm Maybach konstruierten Mercedes, entsprach mit seinen beiden Radnabenmotoren aber weiterhin dem Konzept eines seriellen Hybridautomobils. Zur Stromerzeugung verwendete Ferdinand Porsche nun einen mächtigen 5,5-Liter-Vierzylindermotor mit 25 PS, der von der österreichischen Daimler-Motorengesellschaft stammte. Mit dem unter der Sitzbank platzierten Stromgenerator war der Motor durch eine Antriebswelle verbunden, die Steuerung erfolgte über einen Hauptregler neben dem Lenkrad.

Um das Gewichtsproblem seiner Fahrzeuge zu lösen, verringerte Ferdinand Porsche kontinuierlich die Größe der Batterien, für die er zudem ein staubdichtes Gehäuse zu konstruieren versuchte. Aufgrund der gesunkenen Batteriekapazität konnte der Lohner-Porsche „Mixte“ zwar nur noch wenige Kilometer mit reiner Elektrokraft fahren, doch das Leergewicht des viersitzigen Tourenwagens reduzierte sich inklusive Karosserie auf rund 1.200 Kilogramm. Im normalen Fahrbetrieb liefen Benzinmotor und Generator mit einer konstanten Umdrehungszahl und versorgten Radnabenmotoren und Batterie mit gleich bleibendem Strom. Neben dem hohen Wirkungsgrad seines Antriebskonzeptes hatte der Wagen noch weitere Vorteile: Durch Umpolen konnte der Generator als elektrischer Anlasser eingesetzt werden, wodurch das anstrengende und nicht ungefährliche Ankurbeln des Motors entfiel. Mit fünf verkauften Lohner-Porsche „Mixte“ gelang Ludwig Lohner und Ferdinand Porsche noch 1901 ein Achtungserfolg, denn mit einem Verkaufspreis von je rund 14.000 Kronen waren die Automobile ein höchst exklusives Gut. Käufer dieser ersten Serie war übrigens Emil Jellinek, der bekannte Generalvertreter der Stuttgart-Untertürkheimer Daimler-Motoren-Gesellschaft, der erst im Jahr zuvor den ersten Mercedes inspiriert hatte, indem er dem Modell den Namen seiner Tochter gab. Trotz dieses Kontaktes kam eine Kooperationsvereinbarung über die Lieferung von Mercedes-Motoren nicht zustande, und nur sieben Lohner-Porsche mit Daimler-Aggregaten wurden gebaut. Ab 1903 wurden Benzinantriebe von Panhard & Levas-sor genutzt, denn der große französische Automobilhersteller hatte inzwischen von Ludwig Lohner die Lizenzrechte für die Länder Frankreich, Großbritannien und Italien erworben.

Etwa zeitgleich mit dem Wechsel des Motorenzulieferers modifizierte Ferdinand Porsche auch noch einmal maßgeblich das Antriebskonzept seiner Automobile. Aus den bekannten Gewichtsgründen, aber auch um Produktionskosten einsparen zu können, verzichtete er auf die rein elektrische Fahrtüchtigkeit und verkleinerte die Batterie auf ein Minimum zum Starten des Anlassers. Den fehlenden Energiespeicher ersetzte er durch eine weitere Innovation: Der als Innenpolmaschine ausgelegte Generator erhielt eine elektromechanische Fahrstufen-Regulierung, die als „Einrichtung zur Selbsttätigen Regelung von Stromerzeugern“ patentiert wurde. Bei den Radnabenmotoren läutete Ferdinand Porsche ebenfalls eine weitere Evolutionsstufe ein. Ein neu konstruiertes Nabengehäuse ermöglichte es, die Achsschenkelbolzen weiter Richtung Radzentrum verlegen zu können. Durch diese im Mai 1902 patentierte Lenkgeometrie verringerten sich die Auswirkungen von Fahrbahnstößen sowie die Bedienkräfte des Lenkrads deutlich. Zur Reduzierung der ungefederten Masse der Räder verringerte Ferdinand Porsche zudem den Durchmesser seiner Radnabenmotoren, was er durch breitere Wicklungen ausglich.

Mit dem Resultat dieser Verbesserungen ging Ferdinand Porsche im April 1902 beim Exelbergrennen an den Start. Sein zweisitziger Mixte-Rennwagen überzeugte nicht nur optisch durch moderne Proportionen, sondern auch auf der Strecke. Scheinbar mühelos bewältigte sein Lohner-Porsche auch die größten Steigungen der 4,2 Kilometer langen Schotterstraße hinauf auf den Exelberg und siegte in der großen Wagenklasse. Nicht minder große Öffentlichkeit erhielt Ferdinand Porsche im Herbst 1902, als er während eines Manövers den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand im Lohner-Porsche chauffierte. Das mit einer eleganten Tourenkarosserie ausgestattete Fahrzeug schien seinem adligen Passagier gefallen zu haben, denn Ferdinand Porsche erhielt schon bald darauf ein Dankschreiben, das belegte „wie zufrieden seine Kaiserliche Hoheit in jeder Hinsicht“ war.

Trotz dieser eindrucksvollen Demonstrationen blieben die Verkaufszahlen der Serienvarianten des „Mixte“ weit hinter den Erwartungen zurück. Dem enormen technischen Entwicklungsaufwand standen zwischen 1900 und 1905 nur elf verkaufte Hybridautomobile entgegen. Das Hauptproblem bestand zweifellos im hohen Verkaufspreis: Je nach Aufbau und Ausstattung kostete ein Lohner-Porsche „Mixte“ zwischen 14.400 Kronen und 34.028 Kronen und war damit zum Teil fast doppelt so teuer wie vergleichbare Kraftfahrzeuge mit konventionellem Antrieb. Hinzu kam der hohe Wartungsaufwand des komplexen Antriebssystems, das mit der stetig zunehmenden Betriebssicherheit von normalen Benzin-Automobilen nicht mithalten konnte. Ökonomisch erfolgreicher waren hingegen die reinen Elektrofahrzeuge. Während der ersten fünf Jahre der Serienfertigung konnten bis Ende 1905 rund 65 Lohner-Porsche Elektromobile abgesetzt werden.

Das Projekt / Der Neuaufbau des „Semper Vivus“

Im November 2007 entschied sich das Porsche Museum für eines der interessantesten und herausforderndsten Projekte seiner Geschichte: den originalgetreuen Nachbau des Lohner-Porsche „Semper Vivus“ aus dem Jahr 1900. Der Bau dieses ersten funktionsfähigen Hybridautomobils der Welt war auch 111 Jahre nach seiner Erfindung eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Schließlich galt es nicht nur optisch eine maximale Detailtreue zu erreichen, sondern auch die Fahrleistungen des Originals zu erzielen. Mit der handwerklichen Durchführung beauftragte das Porsche Museum ein Experten-Team um den Karosseriebauer Hubert Drescher, der bereits zuvor seine Kompetenz bei zahlreichen schwierigen Restaurationsprojekten unter Beweis gestellt hatte. Neben mehreren Rennwagenprojekten stammt auch die im Museum ausgestellte Aluminium-Karosserie des Porsche Typ 64 aus der Werkstatt des Hinterzartener Karosseriebauers.

Vor dem Arbeitsbeginn stand zunächst eine ausführliche Recherche in verschiedenen Archiven in ganz Europa. Am Ende bildete eine Handvoll Schwarz-Weiß-Bilder sowie eine originale technische Zeichnung eine erste Grundlage. Wie einst Ferdinand Porsche begann auch der Nachbau des „Semper Vivus“ zunächst auf weißem Papier. So waren zu Beginn neben einer hohen Vorstellungskraft vor allem umfangreiche Recherchen und Berechnungen erforderlich, um den elektrisch angetriebenen Radnabenmotor präzise nachstellen zu können. Da weder ein Lastenheft noch andere hilfreiche Aufzeichnungen überliefert waren, erstellten Experten zunächst in alt bewährter Form, handschriftlich auf Millimeter-Papier, Rechentabellen und Konstruktionspläne. Fotos und Zeichnungen wurden dazu genauestens studiert und aufwendig vermessen. Da kein funktioneller Radnabenmotor existiert, mussten technische Details wie Fahrleistung und Reichweite von Grund auf neu erdacht und berechnet werden.

Bei der Materialauswahl orientierte sich Karosseriebauer Drescher unter anderem an Kutschen und Wagen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Es bedurfte dabei der Unterstützung von erfahrenen Lieferanten, die mit der Herstellung der besonderen Materialien vertraut sind. Die voll funktionstüchtige Replik des „Semper Vivus“, deren Nachbau rund drei Jahre dauerte, besteht jedoch nicht allein aus nachempfundenen Bauteilen: So konnten unter anderem originale Verbrennungsmotoren eingebaut werden.

Daten und Fakten zum „Semper Vivus“

Motor: 2x Einzylinder De-Dion-Bouton Verbrennungsmotor
Leistung: 2,5 PS pro Motor
Leistung Elektromotor: 2,7 PS pro Rad
Höchstgeschwindigkeit: 35 km/h
Reichweite: 200 km

Gesamtbreite: 1.880 mm
Gesamtlänge: 3.390 mm
Gesamthöhe: 1.850 mm
Gesamtgewicht: 1,7 t
Gewicht Vorderrad (einzeln): 272 kg (mit Radnabenmotor)

Spurweite vorne: 1.350 mm
Spurweite hinten: 1.540 mm
Radstand: 2.310 mm
Bodenfreiheit: 250 mm

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