Porsche auf der Rallye Monte Carlo

Das Naturtalent

Die Rallye Monte Carlo gilt zu Recht als Königin unter den Rallyes: Sie ist ein heimtückisches, schwer bezwingbares Biest. Nur die Besten können dort siegen. 1968, also vor fast 50 Jahren, gelang Porsche dies zum ersten Mal – mit dem 911 T.

Dass Sportwagen von Porsche die Gene für Rennerfolge in sich tragen, gilt im Besonderen für den 911. Kaum war das erste Serienmodell auf dem Markt, griffen sich die heute ebenfalls legendären Porsche-Mitarbeiter Herbert Linge und Peter Falk einen der neuen 2+2-Sitzer und reisten damit im Januar 1965 zur Rallye Monte Carlo. Trotz oder vermutlich gerade wegen heftiger Schneefälle geigten sie mit dem Heckmotor-Hecktriebler groß auf und erreichten das Ziel im Hafen des Fürstentums als Fünfte – ein beeindruckender Einstand. Platz zwei ging übrigens an den Porsche 904 GTS von Eugen Böhringer und seinem Beifahrer Rolf Wütherich, der schon neben James Dean saß, als dieser 1955 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte.

Leistungs- und traktionsstark, wendig und zuverlässig: Diese Merkmale kennzeichnen den 911 bis heute. Damals prägten sie sein Talent als veritables Rallye-Gerät. Bald folgten die ersten Titel: Günter Klass aus Stuttgart, der schnelle Pole Sobieslaw Zasada und Rennsport-Tausendsassa Vic Elford gewannen 1966 und 1967 am Steuer des 911 insgesamt drei Europameisterschaften, seinerzeit die höchste Liga dieses Sports. Selbst der vierzylindrige 912 kam zu EM-Ehren. Über allem aber schwebte schon damals die Rallye Monte Carlo. Die 1911 erstmals ausgetragene Königsveranstaltung besitzt weltweite Bedeutung – obwohl kuriose Besonderheiten des Reglements mit Koeffizienten und Vorteilen für bestimmte Fahrzeuggattungen lange Zeit den Wettbewerb verzerrten. 1968 warfen die Veranstalter diesen Ballast, der stets für Ärger sorgte, über Bord. Endlich durfte der Schnellste gewinnen.

Das machte es für Porsche auch werksseitig interessant: Die Stuttgarter schickten 1968 zwei gut 180 PS starke 911 T für die Vorjahreszweiten Vic Elford/David Stone und den „Monte“-Sieger von 1966, Pauli Toivonen, mit Beifahrer Martti Tinkkanen ins Rennen. Auf den zumeist trockenen, nur in den Höhenlagen von Schnee und Eis garnierten Straßen zwischen Monaco und Vals-les-Bains entbrannte sogleich eine beherzte Sekundenschlacht mit den noch neuen Alpine A110, durchgehend von ebenso jungen wie pfeilschnellen Franzosen pilotiert. Doch die „blauen Reiter“ arbeiteten sich schnell auf. Vor den sechs Wertungsprüfungen (WP) der „Èpreuve Complémentaire“ – besser bekannt als „Nacht der langen Messer“– war nur noch das Auto von Gérard Larrousse/Marcel Callewaert übrig. Die beiden 911 saßen ihm dicht im Nacken.

Auf den ersten beiden WP konnte Larrousse seinen 14-Sekunden-Vorsprung auf Elford noch leicht ausbauen, dann schlug der Brite gnadenlos zurück: In der Finsternis am Col de la Couillole knöpfte er dem Franzosen 51 Sekunden (!) ab. Auch auf der nächsten Prüfung fuhr Elford in einer eigenen Liga, verband dies aber mit einem kleinen Ausrutscher. Dennoch lag der Londoner nun 20 Sekunden in Führung. Bei der zweiten Passage des „Turini“ musste Larrousse handeln, wollte er noch gewinnen, und ging ans Limit – zu sehr, denn ihm wurde die Dummheit einiger Zuschauer zum Verhängnis: Sie hatten Schnee auf die trockene Straße geschaufelt, danach fehlte der slickbereiften Alpine ein Rad. Der erste Sieg eines Porsche bei der Rallye Monte Carlo war besiegelt.

Mit „Monte“-Erfolg Nummer 2 geht der Stern eines neuen Rallye-Stars auf

1969 kehrte Porsche zur „Monte“ zurück, dieses Mal aber mit den ebenfalls 180 PS starken 911 S-Versionen. Neben Elford und Larrousse hatte Rennleiter Huschke von Hanstein einen jungen Schweden als dritten Werksfahrer verpflichtet: Björn Waldegård. Der führte sich gleich passend ins Team ein: Während des Erstellens des Aufschriebs nahm die Hinterachse seines Trainingsautos einen Kontakt mit einem Felsvorsprung wortwörtlich krumm. Das zweite Missgeschick hätte fast schlimmere Konsequenzen nach sich gezogen.

Weil die Rallye Monte Carlo bis weit in die Neuzeit an der Tradition der Sternfahrt festhielt, mussten die Teilnehmer über Tausende Kilometer aus unterschiedlichen Startorten wie Athen, Lissabon oder Oslo anreisen. Porsche wählte Warschau. Gemeinsam mit Beifahrer Lars Helmér machten sich Waldegård nach dem Training mit dem Rallye-Neunelfer per Achse auf die Tour gen Osten – um bei der polnischen Passkontrolle festzustellen, dass die Fahrzeugpapiere am deutsch-deutschen Grenzübergang liegengeblieben waren. Zurückfahren ging nicht, denn beide besaßen nur Transitvisa. Doch auch in der DDR gab es Rallye-Fans: Ein Zöllner drückte die Unterlagen kurzerhand einem nachreisenden Journalisten in die Hand – das Problem war gelöst. Die „Monte“ konnte beginnen.

Kaum in Monaco eingetroffen, legte Waldegård los wie die Feuerwehr. Gleich auf der zweiten Wertungsprüfung (WP) über den teilweise vereisten Col de Perty setzte er die erste Bestzeit. Dann stand in der Ardèche mit „Moulinon – Antraigues“ eine durchgehend trockene WP an. Erstmals auf profillosen Slicks unterwegs, war der Skandinavier erneut schneller als Altmeister Elford. In diesem Tempo ging es weiter. Auf der 46,5 Kilometer langen Schleife von Burzet nach Burzet – erst trocken, dann vereist und schließlich verschneit – ließ er den Briten um 13 Sekunden stehen. In der gleich langen „Chartreuse“ knöpfte er dem Vorjahressieger im Schnee fast eine halbe Minute ab. Von den neun WP der „Épreuve Commune“ gewann Waldegård fünf und kehrte mit riesigem Vorsprung nach Monaco zurück.

Noch aber stand die „Nacht der langen Messer“ bevor. Sieben Wertungsprüfungen bis in die frühen Morgenstunden inklusive drei Passagen über den berühmten „Turini“. Wieder eröffnete der Schwede aggressiv, pfeilte in 16.33 Minuten die „Madone“ von Monte Carlo in die Seealpen hoch – zwei Sekunden schneller als Larrousse und drei Sekunden flotter als Elford. Bei der ersten Turini-Überquerung vergrößerte Waldegård seinen Vorsprung um weitere sechs Sekunden. Auf dem „Col de la Couillole“ konnte Elford den Rückstand jedoch wieder um zwölf Sekunden verkürzen. Er kämpfte noch.

Waldegård kam zum Service bei Beuil, die Bremsbeläge mussten getauscht werden. Die übliche Hektik, Anspannung. Nervösität lag in der Luft. Die Mechaniker schraubten wie die Teufel, einer rief „Nicht bremsen!“. Der Schwede jedoch verstand „Bremse treten“ und haute voll aufs mittlere Pedal – woraufhin die Bremskolben wegflogen. Es dauerte, bis das Desaster behoben war. An der nächsten Zeitkontrolle kassierten Waldegård/Helmér vier Strafminuten fürs Zuspätkommen. Damit lag Elford vorn. Nur: Er wusste es nicht und niemand konnte es ihm sagen. Und so ging der Londoner weiterhin volles Risiko, hastete zehn Sekunden flotter über den verschneiten Turini als sein Teamkollege und stürzte sich in die eisige Bergabpassage, bis er eine Kurve falsch einschätzte und einen Baum traf – die Entscheidung.

Der vierte „Monte“-Sieg ging an einen privat eingesetzten 911

Auch 1970 nahm Porsche die „Monte“ noch einmal werksseitig in Angriff. Das Ergebnis geriet zum Spiegelbild des Vorjahres: Waldegård gewann vor Larrousse – dabei führte der Schwede das Klassement ab der ersten WP an und ließ an seinen Siegambitionen nie Zweifel aufkommen. Nur auf sechs der 16 Prüfungen setzte Waldegård mit seinem 960 Kilogramm leichten und rund 240 PS starken 911 S die Bestzeit, fuhr aber gleich zu Beginn der „Étape Commune“ einen ausreichenden Vorsprung heraus, den er anschließend clever bis ins Ziel verwaltete.

Einen Werkseinsatz mit dem 911 sollte es 1971 nicht geben. Stuttgart schickte den neuen 914/6 ins Rennen, was mit Platz drei für Björn Waldegård/Hans Thorszelius belohnt wurde. Erst 1978 folgte der vierte und bis heute letzte Sieg eines Porsche bei der Königs-Rallye, als sich ein mutiger Franzose – Jean-Pierre Nicolas – mit einem wunderbaren, von den Brüdern Alméras privat vorbereiteten 911 Carrera 3.0 gegen ganze Werksauto-Armadas durchsetzte. In die Karten spielte Nicolas dabei ein enormes Wetterchaos mit ständig wechselnden Streckenbedingungen von trocken über nass und matschig bis hin zu Schnee und Eis. Das verwandelte die Reifenwahl in einen schwierigen Akt. Während die Favoriten gleich im Dutzend zu den falschen Pneus griffen, von der Straße fielen oder mit technischen Gebrechen aufgeben mussten, behielten der in Marseille geborene Routinier und sein Beifahrer Vincent Laverne die Übersicht. Die „Nacht der langen Messer“ nahmen sie mit 84 Sekunden Vorsprung auf den Renault von Jean Ragnotti in Angriff, um die Traktionsvorteile ihres 911 in den verschneiten Höhenlagen voll auszuspielen. Im Ziel führten sie mit fast zwei Minuten.

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